1977 und heute

1977. Die Nationalmannschaft sucht lange schon den Nachfolger des drei Jahre zuvor zurückgetretenen Mittelstürmers Gerd Müller. Und Beckenbauer spielt sein letztes Länderspiel. Dennoch kann man nicht von einem Umbruch sprechen, eher von einem kontinuierlichen Wandel. Um sich für die WM 1978 in Argentinien vorzubereiten, geht diese kontinuierlich gewandelte Mannschaft im Sommer 1977 auf Südamerikatournee. Mit dabei der Müller-Nachfolger: Klaus Fischer vom FC Schalke 04. Seit seinem Debut gegen Nordirland (an diesem Abend starb übrigens Sepp Herberger) trifft und trifft der Schalker Mittelstürmer.
Die Tournee wird ein großer Erfolg, zwei Unentschieden, zwei Siege u.a. in Buenos Aires gegen Argentinien. 3:1 auswärts. Die internationale Fußballwelt ist sich einig: Der Titel geht nur über Deutschland.
Ein Jahr später sind die Karten neu, schlechter gemischt. Ein Länderspiel gegen England in München wird noch mit Glück gewonnen. Es folgen die letzten beiden Spiele vor der WM gegen Brasilien und Schweden, jeweils Niederlagen. Das Turnier wird eine deutsche Fußballkatastrophe. Kulminierend in Cordoba. Was war geschehen? Dieselbe Mannschaft hat doch ein Jahr zuvor Südamerika erobert, ein Glücksausgleich der Brasilianer verhindert den ersten deutschen Sieg dort, Argentinien und Uruguay wurden vom Platz gefegt. Und nun das! Komplett erklären lässt es sich nicht. Und wie immer, wenn eine Mannschaft scheitert, schaut man auf die, die NICHT mit dabei waren. Damals waren das Franz Beckenbauer, um den sich der DFB nicht mehr bemüht hatte, Paul Breitner und Uli Stielicke.
Aber entscheidender waren einfach wohl die Formkrisen von Schlüsselspielern. Der sonst so treffsichere Klaus Fischer blieb ohne Torerfolg im Turnier, traf erst im Dezember sein einziges Tor für die Nationalmannschaft 1978. Rainer Bonhof war schwach wie selten („Bonhof, dem man wünscht, dass ihm hier in Argentinien mal etwas gelingt!“ so Reporter Rolf Kramer live). Vogst hatte seinen Zenit überschritten. Heinz Flohe war der Verantwortung des Spielmachers nicht gewachsen. Manfred Kaltz als Libero war eine Fehlbesetzung. Die jungen Rummenigge und Hansi Müller ließen hin und wieder ihr Können aufblitzen, aber das war zu wenig. Am meisten muss man Trainer Schön wohl vorwerfen, dass er nicht radikal genug reagiert hat, kein personelles Risiko einging, als es erkennbar nicht lief.

Die Parallelen zu heute sind unverkennbar. Ab dem Halbfinale 2016 legte die deutsche Elf eine Siegesserie hin, gewann mit einer B-Elf den Confed-Cup. Der Titel geht nur über Deutschland, so die internationale Fußballwelt. Und dann die letzten Testspielkatastrophen, und nun das Auftaktdesaster.

Die wichtigste sportliche Frage lautet ergo: Ist Löw zum personellen Risiko bereit?

Über Herwig Finkeldey

Meine Heimat sind die Ostseewellen wenn sie kommen und zerschellen. Heimat kommt, Heimat geht Heimat ist, was nicht besteht.
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